Geschichten aus Afrika 18 – Nervenkitzel Tankanzeige

noch nie hab ich so oft auf die Tankanzeige gestarrt . . .

Das Marienflusstal – eine landschaftlich wunderschöne Hochebene aus Sand, teilweise licht bewachsen, umgeben von hohen Bergen. Die stellenweise problemlose Fahrt auf der glatt gebügelten Sandpiste ist eine Wohltat. Freilich, wo der Sand tiefer ist, folgt sofort der besorgte Blick auf die Tankanzeige. Das Waschbrett im Sand fordert Tribut – der Dieselverbrauch rauscht in die Höhe.

Am Abend erreichen wir das Camp Synchro. Ein gepflegter Stellplatz direkt am Cunene wird uns zugewiesen, am anderen Flussufer Angola. Eine grüne Meerkatze begrüßt uns.

Wir verbringen auch den nächsten Tag im Camp, um von dem Geschupfe auszurasten, Brot zu backen, und das Auto so gut es geht notdürftigst zu putzen. Zeit genug, um auch ein kleines Krokodil zu beobachten, wie es denn so seinen Tag im Sonnenschein am Fluss verbringt. Mal so rum – mal so rum – dann wieder anders rum.
Den Kopf gerne Richtung Sonne. Ist das ein anstrengendes Leben . . . .

Berechneter Dieselverbrauch gegen Tankanzeige – wer wird gewinnen?

Während ich mit Nadel und Zwirn bemüht bin, seinen zerrissenen Schlafsack zu reparieren, stellt der Mauserich Dieselberechnungen an.

Das Kartenmaterial, die gefahrenen Kilometer, die Tankanzeige . . . werden konsultiert.
Der Dieselverbrauch ist eindeutig zu hoch, wie viel zu hoch sagt er mir nicht. Und ich will es gar nicht so genau wissen.

„Na – es wird si scho ausgeh´n!“ Ich hab das Gefühl, er will nicht nur mich, sondern auch sich selbst beruhigen.

Dienstag, 30. Mai: Wir starten sehr zeitig in der Früh.

Das letzte Mal am Cunene, es fällt uns schwer Abschied zu nehmen. Ein langer schwieriger Weg über die Hartmannberge nach Westen Richtung Atlantik liegt vor uns. Ich frage mich schon, ja müssen wir denn da auch noch hin, wenn der Sprit eh schon so knapp ist? Die vom Profi postulierte 1000 Kilometerrunde tönt mir noch in den Ohren.

Es spricht der Chef: „Wir bleiben dabei, ich hab nicht umsonst so lange geplant!“

Na bitte, so geschehe es also. Die stillende Hundemutter – weiß der Teufel wo die herkommt, und wo sie ihre Kleinen hat – kriegt noch eine Kräftemahlzeit, was der Kühlschrank halt hergibt: zerdrückte harte Eier, Schinken, abgerührt mit Sauerrahm.

Sie bedankt sich mit viel Wedeln und einem herzzerreißend lieben Blick.

Es geht los zunächst Richtung Süden, dann erkennen wir die Abzweigung über die Hartmannberge.

Und wieder Waschbrett – sogar auf der Sandpiste.

Die 48 Kilometer bis zur Kreuzung sind brutal. Es schmeißt uns herum, ausweichen geht nicht, quatschen ist unmöglich ob des Lärms – die Stimmung ist etwas gereizt, auch wegen des hohen Dieselverbrauchs der uns eigentlich nicht erklärlich ist.

Die Überquerung der Hartmannberge geht gut, der Mauserich hat seinen Mitsubishi bestens im Griff – das Auto leistet, was wir von ihm verlangen. Eine wirklich schwierige Passage kommt, der Mauserich ist voll optimistisch: „der Karlberger (Christian Karlberger, der Offroadtrainer vom ÖAMTC) hat gesagt . . . „die (die Mitsubishis) san für so was ´baut.“

Etwas später dann – „Also schlimmer kommt´s nimmer – hoff´ i jedenfalls“.

Der geneigte Leser meiner Geschichten könnte an dieser Stelle den Eindruck gewinnen, wir bewegten uns hier in einem Bachbett. Nein, nein – hier gehts verdammt steil hinauf. Nach dem Filmen habe ich größte Schwierigkeiten, auf den abrutschenden Felsbrocken dem Auto zu Fuß nachzukommen.

Ich seh´ des alles net so locker, mir is des alles net wurscht.

Am nördlichen Ende des Hartmanntales müssen wir schließlich über eine ordentliche Steigung drüber, um dann wieder Richtung Süden parallel zur Atlantikküste abzufahren.

Es kommt wie es kommen muss. Schon der Beginn der Steigung ist tiefer Sand, nach ein paar Minuten bleiben wir in einer Sandverwehung stecken. Nichts geht mehr.

Mauserich: „I lass no a bissl Luft ab“ – kein Erfolg. „Alle Sperren san drin, schau ma, was die Untersetzung bringt.“ – kein Erfolg, das Auto steckt fest. „Na so was, i lass no a Luft ab.“ Die Reifen haben jetzt weniger als 1 bar. „Entweder jetzt geht’s, oder . . .“

. . . oder was – die Noni kriegt die Krise

Ich denk mir, auch wenn wir da jetzt ohne Sandbretter und Schaufeln rauskommen – da heroben bläst heftiger Wind, weitere Verwehungen sind wahrscheinlich. Der Dieselverbrauch ist extrem, das geht sich nicht aus.

In meinem Kopf rotieren die Gedanken an den deutschen Guide immer schneller . . . er kennt das Kaokoveld wie seine Westentasche . . . die Runde hat an die 1000 Kilometer . . . das kann sich dann gar nicht ausgehen, und überhaupt, und außerdem . . .

Als ob das Auto die knisternde Krisenstimmung mitkriegen würde, schließlich geht es doch. Die Reifen wühlen sich im Schneckentempo durch den tiefen Sand, nach etwa 50 Metern sind wir durch.

Es spricht der Chef: „Wir haben uns das vorgenommen, das ziehen wir jetzt durch.“

Nur langsam kann ich mich beruhigen.

In dieser Anspannung vergesse ich sogar darauf die Tankanzeige anzustarren. Verdammt, warum gehen mir immer wieder mal die Nerven durch. Dabei ist es so schön hier.
Erst nach und nach kann ich die einsame Fahrt in dieser endlosen Weite genießen.

Nach ein paar Stunden steht die Sonne schon ziemlich tief. Zeit, einen Platz zum Übernachten zu suchen. In der Dunkelheit wäre es dafür zu spät.

Campgrounds oder ausgewiesene Stellplätze gibt es hier nicht. Hierher verirren sich nur Wenige.

An einer Felswand finden wir einen halbwegs windstillen Platz. Es ist kalt. Die Fahrt war nicht nur körperlich sondern auch gefühlsmäßig echt anstrengend. So viele Kilometer, weit und breit keine Menschenseele – keine Tankstelle – ein mulmiges, beängstigendes Gefühl.

Wir haben kaum etwas gegessen, jetzt meldet sich der Hunger. Als Aperitif gibt es eine Überraschung:

Die Schupferei bei der Gebirgsüberquerung hat das Glas mit dem liebevoll im Potje zubereiteten Ragout zertrümmert, einige der hartgekochten Eier sind jetzt eben nicht zerschlagen sondern zerquetscht. Der ganze Schlamassel schwimmt in einer Bierbrühe, denn auch eine Bierdose hat diese Fahrt nicht überlebt. Geht’s noch??
Wir trösten uns mit der allerletzten Notlösung:

Einfach kochendes Wasser bis zur Markierung einfüllen, acht Minuten warten, umrühren, und – wirklich genießen??
Erinnerungen an den Campground im Denali NP in Alaska kommen auf. Da haben wir das erste Mal erlebt, wie alle touristischen Chinesen ihre Feinschmeckermenüs aus bunten Sackerln gelöffelt haben. Na ja, es wird wieder anders kommen . . .

Der Abend klingt friedlich aus, auch wenn es herzhaft wachelt. Seit Island ist uns heftiger Wind echt egal.
Aber es ist ziemlich kalt geworden.

Vor wenigen Minuten ist die Sonne untergegangen.

Über unseren Dieselverbrauch wollen wir heute gar nicht mehr nachdenken. Die Tankanzeige keines Blickes mehr würdigen. Nicht mehr nachrechnen, wieviele Kilometer es noch bis zur nächsten Tankstelle sind, gar nichts mehr denken . .

Es ist erst knapp nach sieben. Wir verkriechen uns in die Daunen, ziehen erschöpft den Schlafsack über den Kopf.