Altaussee – still ist es um den See . . .

Altaussee träumt vor sich hin, der See liegt ihm zu Füßen.

Als hätte eine Kinderhand die hübschen Häuser willkürlich auf hügeligen Wiesen verteilt, dazwischen einige Bäume gesetzt, und am Ufer noch schnell ein paar schmucke Bootshütten . . .

Ostern 2020 – noch nie habe ich den kleinen, so berühmten Ort mit seinem glasklaren See so ruhig und friedlich erlebt.

Es ist noch früh am Morgen, die Luft ist herrlich frisch. Niemand begegnet mir, nur lautstarkes Gezwitscher begleitet mich. Zeitweise streicht ein kleinster Lufthauch übers Wasser, meist spiegelt der See perfekt.

In Zeiten wie diesen ist eben auch im Steirischen Salzkammergut alles anders.
Keine internationalen Gäste, keine betuchten Zweitwohnungsbesitzer aus der Großstadt, die – in Duftwolken und die neueste Designertracht gehüllt – in Scharen um den See pilgern. Keine Jogger, keine Radfahrer, die mit ihren Glocken schellend auf sich aufmerksam machen.
Ich bin allein, genieße die beschauliche Ruhe.

Unter dem Wurzelstock einer umgestürzten Fichte hat sich Familie Teddybär eingefunden – zu Besuch sind Herr Hase und seine Gattin – und alle tragen sie natürlich Mund-Nasen-Schutz, so wie es sich in Zeiten von Corona eben gehört.

Was für eine entzückende Idee, dieser schwierigen Zeit mit so viel Humor zu begegnen, nicht wahr?

Still ist es um den See. Weit und breit keine Menschenseele.

Entlang des Weges, der den See eben und immer nahe am Ufer umrundet, sind eine Vielzahl von Bänken aufgestellt. Mit wunderbarer Aussicht auf den Ort Altaussee und die Berge ringsum laden sie zum Verweilen ein, viele von ihnen tragen die Namensschilder derer, die hier wohl oft und gerne gesessen sind, auf der Suche nach Ruhe, nach Muße, nach Erholung.

Und – wie viele Meister der Dichtkunst, der bildenden Kunst, und der Musik haben hier in Altaussee wohl Inspiration für ihr Werk gesucht und gefunden?

Heute sind die Bänke leer.

Am Ostufer schmiegt sich der See an eine rund 600 m hohe, steil aufragende Felswand. Hier hält – unter der Obhut der „Trisselwand“ – die gemütliche Einkehr zur „Seewiese“ ihren Winterschlaf.

Die alte Dame, jahrzehntelang ignoriert und vollkommen verfallen, wurde dank eines neuen, großzügigen Besitzers erst vor kurzer Zeit liebevoll aus ihrem Dornröschenschlaf erweckt. Nun erstrahlt sie in alter Schönheit und neuem Glanz, und lädt zur warmen Jahreszeit die Vorbeikommenden zu einer stärkenden Schmankerljause ein.
Die Einschränkungen durch das Corona Virus werden von ihr mit Noblesse und Nachsicht gnädig ignoriert. Sie würde ihre Pforten für die Gäste sowieso erst im Frühsommer öffnen.

Einer der schönsten Plätze am See.

Gleich neben der „Seewiese“ – eine Sitzbank, erhöht auf einem kleinen Fels, das kristallklare Wasser zu Füßen, in der Ferne der weiß leuchtende Dachstein. Wie eine Postkarte, kitschig schön, aber ich gestehe es offen – ich mag diesen Platz.

Die Zeit ist fortgeschritten, der Weg entlang des nördlichen Ufers zurück Richtung Altaussee genießt bereits den Sonnenschein. Es ist die „Sunseit´“ des Sees, die Flachzone der Seewiese zeigt sich in kräftigem Grün, erste Blüten sprießen, und das helle Gelb des Blütenstaubs malt fantastische Bilder auf die Wasseroberfläche der zahlreichen kleinen Buchten. Wie schön, dass der Frühling farbenfrohe Lebenszeichen von sich gibt.

Immer wieder gleitet mein Blick über den See hinweg zum Gletscher des Dachsteinmassivs. Eigentlich ist es nicht weiter verwunderlich, dass schon so viele Betrachter dieser Szenerie der Faszination von Fels und Wasser vollkommen erlegen sind.

Bald weitet sich das Ufer, und auf einer kleinen Wiese entdecke ich eine, an einen Scherenschnitt erinnernde, kunstvolle Skulptur, geschaffen von Walter Angerer dem Jüngeren. Dem Journalisten und Dokumentarfilmer Lutz Maurer ist es zu danken, dass hier dem gebürtigen Altausseer Paul Preuss (1886 – 1913), dem Philosophen unter den Alpinisten, einem Visionär, der sich für den totalen Verzicht auf technische Hilfsmittel beim Klettern einsetzte, anlässlich seines hundertsten Todestages im Jahr 2013 ein Denkmal der Erinnerung gesetzt wurde.

Ein letzter Blick zurück auf die gewaltige Trisselwand beschließt meinen Corona Rundgang um den Altausseer See. Das frische Grün vermittelt Aufbruchstimmung und Zuversicht.

Es werden wieder andere Zeiten kommen – laut, bewegt, voller Leben – nicht mehr so still . . .