Geschichten aus Afrika 19 – viel Grund zur Freude

wir haben viel Grund zur Freude – Auto und Belegschaft in Hochstimmung

Mittwoch, 31. Mai: Gegen Mitternacht geht der Wind schlafen, und die Freude, die Anstrengungen der letzten Tage gut hinter uns gebracht zu haben, lässt uns dann doch gut schlafen. An diesen hohen Felsen gekuschelt haben wir die Nacht verbracht.
Der Wecker läutet gnadenlos ein halbe Stunde vor Sonnenaufgang.

So rasch wie möglich packen wir zusammen, aber für einen heißen Espresso mit frisch gemahlenem Kaffee muss Zeit sein. Es tut gut, die kalten Hände am Kaffeehäferl zu wärmen und mit Demut die wunderbare Morgenstimmung aufzunehmen.

Viertel nach sieben taucht die Sonne hinter unserem Felsen auf. Unser Zeltplatz ist am Bild kaum zu erkennen.
Die Stille ringsum ist unglaublich, nichts, absolut nichts ist zu hören. Irgendwie beschleicht mich Freude hier zu sein, ein beglückendes Gefühl . . .

Für den Moment – mit viel Tageslicht voraus – sind auch meine Ängste, hier irgendwo zu stranden, nicht mehr da.

Wir fahren los und besuchen noch einmal den „Wüstenmann“ den wir am Abend zuvor schon entdeckt haben. In der Namibischen Wüste gibt es mehrere solche Figuren. Man weiß nicht, wer diese kleinen Kunstwerke, die so überraschend aus dem Nichts auftauchen, aus Basaltsteinen und geschweißten Rundeisen gefertigt hat. Sie sind einfach da.

An seinem Fuß trägt der Wüstenmann ein kleines Schild mit der Bitte, dem Bäumchen etwas Wasser zu geben.
Ich gieße es mit einer halben Flasche, wir haben genug davon.
Unser Weg führt nun nach Südosten. Die Straße fühlt sich gut an, keine Waschrumpel mehr, hin und wieder eine felsige Steigung. Und auf einmal – grad um eine Kurve – wieder ein Wüstenmännchen.
Alles ist gut. Während ich ein gutes Frühstück richte, packt mein Mann mit Freude endlich wieder einmal seine Großformatkamera aus.

Eine Frage geht uns aber ständig im Kopf herum: warum ist der Dieselverbrauch so hoch?

Der gestrige Schnitt sprengt alle Rekorde – eh klar: Wühlen im tiefen Sand, Waschrumpel ohne Ende, steinige Passagen mit allen Sperren und der Untersetzung – das frisst . . . aber 25,6 Liter auf 100 Kilometer – das kann sich nicht ausgehen, oder?

Die Tankanzeige genießt unsere ständige Aufmerksamkeit. Einen der Reservekanister hat sie schon bekommen, trotzdem wird die Säule, die den Füllstand anzeigt, immer niedriger.

Noch einmal führt die Route über die Berge, bergauf gibt es hohe Felsstufen, wenigstens hinunter gehts leichter, da sollte der Verbrauch niedriger sein.

welche Freude, wenn der Mann und sein Auto auch im Flussbett den richtigen Weg finden . . .

Südlich von Orupembe führt die Spur in ein Flussbett. Straßen, wie wir sie kennen, gibt es hier ja überhaupt kaum, also bieten sich ausgetrocknete Flusstäler als Verkehrswege an.

Ihr müsst Euch das so vorstellen:

So ein Flussbett, wie das des Khumib, in dem wir jetzt an die 50 Kilometer fahren sollen, bedeckt den ganzen Talboden zwischen zwei Bergketten. Es ist mehrere hundert Meter breit und wird in der afrikanischen Regenzeit komplett überschwemmt.
Der Talboden also Sand ohne Ende, dazwischen hohe Kiesbänke, viele Bäume und Sträucher, an denen sich das Schwemmholz auftürmt, steile Abbrüche, wenn die Strömung den Sand weggeschwemmt hat. Die Wurzeln der Bäume liegen teilweise frei und bilden ganz gemeine, spießige Stolperfallen für luftreduzierte Autoreifen, deren empfindliche Wangen sie mit Vergnügen aufschlitzen.

Zeitweise gibt es da auch schwer erkennbare, tückische, tiefe Löcher, gegraben von den Wüstenelefanten (die können das Wasser in der Tiefe riechen) und Menschen auf der Suche nach Wasser. Da sollte ein Autorad besser nicht hineinfallen.

Nach der Regenzeit wird die Spur einfach wieder eingefahren, und meistens gibt es mehrere Tracks, denen man folgen kann.

Leider, wie schon in den großen Sandebenen, bildet sich auch hier in den Fahrspuren die Wellblechrumpel. Und weil alle die da fahren so genervt von dem Gerüttel sind, versuchen sie die Hauptspur zu vermeiden – es bilden sich Nebentracks die annähernd parallel verlaufen und sich dann bald wieder zusammenschließen. Bis der genervte Mann am Steuer wieder eine neue Nebenspur findet . . .

Also – wir fahren so dahin und kommen ganz zügig voran.

Die geneigte Leserschaft meiner Geschichten sollte auch wissen, dass beim Reisen mir die ehrenvolle Aufgabe der Navigation zugeteilt ist. Das heißt, ich sag meinem Mann wo es lang geht. (Im wirklichen Leben spielt es das natürlich nicht, aber beim Reisen hat sich diese Aufgabenteilung sehr bewährt – weiß Gott, wo wir sonst schon überall gelandet wären . . . )

In der Regel tut er, was ich sag – manchmal müssen wir auch ein wenig dischkerieren – bis er schließlich doch tut, was ich ihm sag.

Und weil es grad so gut dahingeht macht sich ein wenig Übermut breit.

Der Mann am Steuer nimmt hoffnungsvoll eine Nebenfährte nach links auf und es geht weiter gut dahin. Deutlich sind Reifenabdrücke zu sehen, dann biegt die Spur wieder nach rechts Richtung Haupttrack ab, der Mauserich folgt aber der geraden Spur, offensichtlich nur mehr von einem Fahrzeug – weil´s eben grad so gut geht. Auf meinen sanften Protest und den Hinweis, dass die vermeintliche Nebenspur aber eindeutig die Hauptrichtung verlasse, höre ich nur gütlich:

„Na, na, wirst scho´ sehen, die Spuren führen alle wieder zusammen.“

der Mann am Steuer hat immer recht – oder?

So fahren wir dahin, zeitweise müssen wir stehenbleiben und erst suchen wo es weitergeht.

Nach weiteren zehn Minuten spricht der Mann am Steuer:
„Na Mayerhoffer, was hast denn jetzt wieder gemacht, wo fahrst denn hin?“ Selbstkritische Äußerungen dieser Art waren bei ihm – wie aus gut informierter Quelle zu vernehmen – schon am OP Tisch zeitweise zu hören.
Ich vermute, es könnte dem Spannungsabbau dienen.

Also – wir fahren munter weiter, während die Tankanzeige zunehmend in die Knie geht.

Der Mann am Steuer: „Es war sicher ein Fehler, dieser Spur zu folgen . . .“

Aber – wir fahren munter weiter, und das Spursuchen macht ja auch in gewisser Weise Spaß. Wenn da nur die blöde Tankanzeige nicht wäre . . .

Ich versuche Realitäten zu schaffen. „Die Hauptspur führt geschätzte 400 Meter querab, der Winkel führt weg, wir entfernen uns zunehmend weiter.“

Der Mann am Steuer wirft mir, dem Überbringer dieser unerfreulichen Botschaft, einen bösen Blick zu, wird laut:

„Ja aber, der vor uns is ja aaa irgendwo hingfoan!“

Wenige Minuten später ist Schluss. Die Spur ist weg, wir stehen auf einer Kiesbank, bei aller Anstrengung die Reifenabdrücke erneut zu sichten – es ist nichts mehr zu sehen.

Na, da kommt Freude auf. Der Mann am Steuer klingt auf einmal durchaus ernüchtert: „Was damma jetzt, umdrahn oder querfeldein die Hauptspur suchen – wahrscheinlich mit Hängenbleiben.“

Ich schweige – mein Mann dreht um.

Wir folgen unserer eigenen Spur zurück, brauchen etwa eine halbe Stunde, dann finden wir den Haupttrack wieder.

„Na, in so an Flussbett kann ma si ganz schön verfahren, gell Schatz?“
Bei so viel ehrlicher, umwerfender Selbsterkenntnis bleibt mir glatt die Sprache weg.

Die Rüttelpiste hat uns wieder.

Die weitere Fahrt folgt weniger von Übermut getragenem Pioniergeist, sondern steht ziemlich unter Zeitdruck, einen Platz für den Abend zu erreichen.

Der Blick auf die Tankanzeige lässt nahende Probleme erahnen. Aber ich bin so was von erleichtert, hier sind wieder Menschen zu sehen. Und sollte uns jetzt auf die Gache der Diesel ausgehen, die Menschen würden uns bestimmt mit Freude und großer Hilfsbereitschaft irgendwie aus der Patsche helfen.

Die Frau im Bild trägt am Kopf einen Kübel mit Wasser, hat sie grad aus so einem Wasserloch im Flussbett hochgezogen.

Endlich wieder eine heiße Dusche, Pasta a la Noni.

Na so was, untertags schwitzen wir noch immer heftig, ohne Klimaanlage – weil wir ja Diesel sparen müssen – wird es ab Vormittag unerträglich. Dann hilft nur mehr Fenster auf – Staub und Sand herein – ach wie erfreulich.

Die Abende sind jetzt verdammt kalt geworden. Da hilft ein wärmendes Lagerfeuer. Der Versuch, meine Ängste der vergangenen Tage aufzuarbeiten, gelingt nur teilweise. Ich kann sie nicht erklären, vielleicht mangelt es einfach an Selbstvertrauen. Wir sind halt auch nicht mehr so jung. Und da draußen im Kaokoveld ist man so was von alleine . . .