Geschichten aus Afrika 16 – auf nach Opuwo

auf nach Opuwo – die letzte Möglichkeit zu tanken und die Vorräte aufzufüllen . . .

. . . bevor es in die Einsamkeit der nordwestlichen Grenzregion von Namibia geht. Nur in Opuwo ist es möglich, das Auto noch einmal durchzuchecken zu lassen und die Räder umstecken zu lassen. Unser Mitsubishi wird in den nächsten zwei Wochen sehr gefordert sein.

Freitag, 26. Mai: Wir verlassen den Cunene und fahren über eine trockene, kaum bewachsene Hochebene Richtung Südosten. Plötzlich tauchen drei Buben auf einem Esel auf.

Sie winken freundlich – wir bleiben stehen. Sie lachern – wir lachen.
Das reicht für die Verständigung.

Natürlich weiß ich, dass sie Leckereien haben wollen. Natürlich hab ich ein Sackerl dabei – aber ich bin auch gescheiter worden.
Bei der ersten Begegnung mit Kindern die um Süßigkeiten betteln hab ich da was lernen müssen.

Ich hatte ein Sackerl vorbereitet und als uns Kinder aufhielten und „sweeties, sweeties“ riefen hab ich ihnen das Sackerl hingehalten, die Guzzis angeboten. Husch, eines der Mädchen hat sich das ganze Sackerl geschnappt und weg war sie.

Ich hab blöd geschaut und die anderen Kinder gingen leer aus und waren böse auf mich. Ihre Enttäuschung hat mich betroffen gemacht.

Seither gebe ich jedem Kind ein Guzzi in die Hand, aber ich gestehe, da ist ein bisschen ein Unbehagen dabei zu sehen, dass sie querfeldein, barfuß über den heißen Sand und die groben Steine zur Straße herlaufen, nur um ein Bonbon zu ergattern . . .

Und wie sie laufen, schon von Weitem laufen sie sobald wir näherkommen. Egal wie alt sie sind – ein „sweety“ ist eben etwas ganz Besonderes. Vorallem schlimm ist die bunte Staniolverpackung der Süßigkeiten, die sich leider nicht vermeiden lässt.
Das ist wirklich schlimm, denn hier gibt es keine Mülltrennnung . . .

Opuwo – Zentrum des Kaokolandes

Am Abend kommen wir in Opuwo an. Lebensmittel, Wasser und Diesel bunkern, bevor es in die Wüste geht. Die Stadt mit ihren paar Tausend Einwohnern ist das Zentrum des Kaokolandes – quirlig, laut, dreckig. Ziegenherden rennen herum, streunende Hunde. Alkoholmissbrauch ist hier ein nicht zu übersehendes Thema. Vorsicht vor Gaunern ist geboten, vor allem wenn man so ein . . . unauffälliges Auto . . . hat wie wir, und natürlich, wenn man weiße Hautfarbe hat. Da heißt es aufpassen, diesmal wollen wir den Warnungen Glauben schenken.

Vor dem kleinen Supermarkt lungern junge Männer herum, drängen sich auf, wollen irgendetwas verkaufen. Während der Mauserich aufs Auto aufpasst, versuche ich drinnen alles Nötige zu bekommen. Auch im Geschäft sind kleine Mädchen bettelnd unterwegs, die mich ständig am Hemd zupfen, sich den Bauch reiben und mir zeigen, dass sie hungrig sind.
Ich kaufe einen Sack mit Äpfeln, aber die mögen sie nicht.

Der „Marktplatz “ von Opuwo, vermutlich das „soziale Begegnungszentrum“. Laut, staubig, Menschen und Tiere bunt durcheinander.

In Opuwo findet sich auch ein bunter Mischmasch an Ethnien, vor allem Himba Frauen, die nur mit Lendenschurz bekleidet sind und meistens ein Kind am Rücken tragen. Viele von ihnen sind selbst noch Kinder.

Im Gegensatz zu ihnen gibt es die stattlichen Herero Frauen zu bestaunen, die sehr selbstbewusst mit ihren bunten langen Kleidern im Stil des Viktorianischen Zeitalters und den lustigen Hüten, die an Kuhhörner erinnern, ihre Tradition pflegen und sich zu ihrer Herkunft bekennen.

Mit ihrer bunten Erscheinung ziehen sie alle Blicke auf sich.

Am Weg durch die Stadt sehen wir die „Hütten“ einiger Bewohner von Opuwo – ich gebe zu – es ist immer wieder bedrückend, unter welchen Verhältnissen die Menschen hier leben, die Kinder hier aufwachsen. Die meisten von ihnen haben keine Möglichkeit in die Schule zu gehen.

es geht nichts über sorgfältige Handarbeit . . .

Während ich versuche, keine depressive Weltverbesserungsstimmung aufkommen zu lassen, suchen – und finden wir so etwas wie eine Werkstatt die uns die Reifen umsteckt, was alle 4000 km gemacht werden sollte.

Ordentliches Werkzeug, Schlagschrauber, Drehmomentschlüssel? Fehlanzeige, hier wird alles noch in solider anstrengender Handarbeit erledigt, was auch entsprechend lange dauert. Ich habe viel Zeit, die herumstehenden Vehikel zu bestaunen die darauf warten, wieder fahrtüchtig gemacht zu werden.

Ob aus diesem Wirrwarr noch einmal ein fahrbares Auto wird? Ich höre nur ein freundliches „Yes, Ma´m, sure, Ma´m“ mit einem Grinsen im Gesicht.

Beim Festmachen unserer Räder kommt auf, dass eine Schraube rechts hinten nicht mehr beisst. Ein Telefonat über Satellit mit unserem Mitsubishimann schafft Klarheit. In wohlklingendem Deutschlandsbergerisch zerstreut er Mauserichs Sorgen:

„Naaa Wolfgang, do brauchst da nix denga. Is egal wannst da a Schraubn odraht hat, hast eh no andere am Radl di holtn. Da kannst scho weidafoarn . . . „

Ach Chris, wir sind Dir so dankbar, dass Du immer und überall für uns erreichbar bist. Du bist nicht nur der allzeit verfügbare Vertrauensmann für unser Vehikel, sondern auch der beste Mentalcoach und Seelentröster den sich ein hilfesuchender Safarianfänger im wilden Afrika wünschen kann.

Also – schließlich ist die Arbeit erledigt. An der Tankstelle füllen wir noch einmal nach, rein was geht, der Sprit muss für berechnete 800 Kilometer reichen. 120 Liter im Tank, zwei Reservekanister mit je 20 Liter. Der Verbrauch darf also nicht höher sein als 20 Liter auf 100 Kilometer. Wird sich das ausgehen?

eine kleine Rechenaufgabe: auf 800 Kilometer höchstens 20 Liter/100 Kilometer.
Wird sich das ausgehen?

Hundemüde treffen wir schon spät bei unserem Stellplatz nahe einer Lodge etwas außerhalb von Opuwo ein.

Unser Zeltnachbar ist Deutscher, er wohnt in Windhoek und lebt davon, Touristen, die es sich nicht zutrauen alleine zu fahren, kreuz und quer durchs Kaokoveld zu führen – gegen ordentlich Bares, versteht sich.

Ein Kenner der Szene sozusagen, der alle Pistenverhältnisse, Fahrbedingungen, Distanzen . . . bis ins kleinste Detail beurteilen kann.

Mit dem üblichen . . . woher kommt ihr – wohin geht ihr . . . ergibt sich eine nette Plauderei, und als wir ihm schildern was wir ab morgen vorhaben, zeigt er sich sehr überrascht. „Also, eure berechneten 800 Kilometer stimmen nicht. Die Runde, die ihr fahren wollt, misst beinahe 1000 Kilometer.“

Sollte sich mein Mauserich wirklich so verrechnet haben? Sollte seine monatelange Planung und detaillierte Vorbereitung unserer Reise wirklich so daneben liegen?

Was tun wir, wenn uns einfach der Diesel ausgeht – und weit und breit keine Tankstelle . . .

Mit einem ordentlich mulmigen Gefühl schlafe ich erst spät ein, das Gespräch mit dem Profi von nebenan hat mir Angst gemacht.