Geschichten aus Afrika 20 – wie voll ist der Tank?

der Tank ist leer – oder doch noch nicht?

Der nächste Tag beginnt mit einer Rechenaufgabe. Wieviel Diesel ist denn noch im Tank?

Die Tankanzeige jedenfalls ist am unteren Ende angelangt.

Hier in Puros gibt es keine Tankstelle. Diesel bekommt man – angeblich – aus irgendwelchen Kanistern – die irgendwer – irgendwo – für liegengebliebene Vehikel verzweifelter Offroadpiloten bereithält. Vielleicht – wenn man Glück hat, findet man diese Helfer in der Not . . .

Wir versuchen es gar nicht. Auf unserem weiteren Weg, in Sesfontain gibt es angeblich auch eine Zapfsäule, die, so man sie überhaupt findet – vielleicht – Diesel hat oder eben nicht. Und in Palmwag gibt es jedenfalls verlässlich eine Tankstelle – der absolut mentale Rettungsanker.

Der Dieselverbrauch hat sich im Schnitt auf fast 19 Liter eingependelt, wir wissen auch die Kilometerdistanz bis Palmwag, die Anzeige ist ganz unten angekommen, aber noch blinkt sie nicht. Es könnte sich irgendwie ausgehen, und – warum plagen uns überhaupt diese quälenden „derDieselkannsichüberhauptnichtausgehenÄngste“?

Ist ja lächerlich, dass wir uns da so fertig machen lassen – wir haben ja noch einen 20 Liter Kanister – mit dem kommen wir sowieso „gefühlt“ bis ans Ende der Welt – jedenfalls bis Palmwag.

Und weil wir heute eigentlich so grenzenlos erleichtert sind, und der Mauserich die Gesamtkilometer – wie sich nun zeigt – auch richtig berechnet hat, wollen wir es jetzt genau wissen.

Wir fahren in Sesfontain an der Vielleichtdieselquelle mit nun doch kontinuierlich blinkender Anzeige und hoch erhobenem Haupt einfach vorbei, finden in einem kleinen Flusstal abseits der Hauptpiste einen ordentlichen Stellplatz, und kehren nach einem Hupfer in den Pool in der netten Lodge ein, um bei Vollmond ein wohlschmeckendes Abendessen zu genießen.

wie zum Trotz – das Auto fährt und fährt . . .

Donnerstag, 01. Juni: Ein guter Morgen – auf nach Palmwag. Jetzt kommt auf, was der Tank noch hergibt.

Die Straße ist eine breite Rumpelpiste, aber doch halbwegs gepflegt, die den Mitsubishi nur zeitweise Bocksprünge machen lässt. Jedesmal wenn die Straße bergauf geht, warten wir auf ein paar Stotterer und das endgültige Aus.

Die Spannung steigt . . .

Aber nein, obwohl die Warnleuchte der Tankanzeige längst im Dauerblinkmodus ist, wie zum Trotz –
das Auto fährt und fährt und fährt . . .

Nach 71 Kilometern taucht in einer Talsenke Palmwag auf: ein paar Hütten, eine Bude, ein Kontrollzaun – und eine Tanksäule. Ein vielbeschriebener Ort der Sehnsucht für so manchen Reisenden in diesem Teil Namibias. Denn alle, die sich in diese abgeschiedene Region im Nordwesten verirren, haben dasselbe Problem:

Riesiger Spritbedarf und zu wenig Stauraum. Für mehrere Kanister reicht der Platz im, am, oder auf dem Auto nicht aus.

Der Mann an der Zapfsäule hat wohl auch so seine Erfahrungen gemacht. Ein Grinsen, er reibt sich die Hände ob des zu erwartenden guten Geschäfts. Aha – ihr wart auch da oben im Norden, wo es keinen Sprit gibt?

Ha ha wie lustig. Die Ängste, die ich ausgestanden hab, sind noch zum Greifen nahe.
Wir sind einfach nur höchst gespannt. 120 Liter – angeblich – fasst der Tank, wieviel wird nun reingehen?

Nein, das gibts doch nicht. Uns – und dem Mann an der Zapfsäule – bleibt die Sprache weg.

Ich kann es nicht glauben. 123,16 Liter Diesel gehen in den Tank, wahrscheinlich wären wir da nur mehr ein paar hundert Meter weiter gekommen – oder noch weniger . . .

Der Mauserich hat also richtig berechnet. Und der Experte und In-und-auswendig-Kenner des Kaokoveldes lag falsch.

Von der Tankstelle in Opuwo bis hierher zur ersten gesicherten Dieselquelle sind es 788 Kilometer. Wir haben 123,16 Liter Tank plus 20 Liter aus dem ersten Kanister verbraucht. Das macht einen Schnitt von 18,17 Liter auf 100 Kilometer.

Warum hab ich mich bloß so aufgeregt? Meine Ängste, irgendwo da draußen mit leerem Tank zu stranden, sind aus jetziger Sicht völlig unnötig gewesen.

Freilich – eine Frage bleibt trotzdem offen. Warum ist der Verbrauch so hoch?

In der Bude erstehen wir ein Sechsertragl Bierchen. Das wird uns heute Abend schmecken.

Na, jetzt sind wir aber gut drauf.

Wellblechrumpel, Sandwühlen, Fährtensuche im Flussbett, und steinige Bergaufpisten sind uns so was von egal.

Mit vollem Tank fährt es sich voll beschwingt – in the groove . . .

In Twyfelfontain finden wir an einem ausgetrockneten Flussbett einen geschützten Stellplatz. So entspannt wie heute Abend bin ich schon lange nicht mehr in meinen Schlafsack gekrochen.