Geschichten aus Afrika 1 – auf nach Afrika, es geht los . . .

Eine Reise in den Süden von Afrika – Sicher ist, ganz am Anfang ist es einfach eine Idee . . .

Wo und wann beginnt eigentlich diese Reise nach Afrika?

In Bad Ischl, wo mein Mann Monate damit zubringt Erfahrungsberichte zu lesen, Routen zu studieren, Impfpläne zu erstellen, Ankünfte und Abfahrten zu terminisieren, Stellplätze vorzubuchen – was sich bei der Vielfalt an Campgroundverwaltungsträgern als ausgesprochen verwirrendes, und mit null Afrika-Erfahrung kaum zu bewältigendes Vorhaben erweist . . .

. . . wo Reiseführer und Kartenmaterial in analoger und digitaler Form haufenweise unser Postkastl und die Festplatten füllen. Wo vom Dachzelt bis zum Kloklappstuhl, vom Satellitentelefon bis zur Bordelektrik, vom Kompressor bis zum Wassertank samt seiner Pumpe, wo vom Navi bis zur angegliederten digitalen Entourage sämtlicher Macbooks und Mobiles alles auf seine Funktionstüchtigkeit überprüft und verstaut werden muss . . .

wo endlose Packlisten erstellt werden . . .

. . . wo ein Zwei-Personenhaushalt inklusive Bezinkocher, Mückenvertreiber, Werkzeug-Ersatzteilbox, Dieselkanister, Ladestation für Kamera- und sonstige Akkus, Essensvorräte, Apothekenbox, Kühlbox, Koch- und Essgeschirr, Kaffeemühle, Espressokännchen, Wasserkocher bis Knoblauchpresse . . . in einem winzigen Canopy mit zwei Schubladen untergebracht werden muss. Nicht zu vergessen zwei Kübel (welche sich während der Reise noch als sehr zweckdienlich erweisen sollten), Waschpulver, Mückenspray, Reserven für dies und das . . .

. . . wo die Nachbarschaft aus dem Staunen nicht herauskommt ob der Aktivitäten rund um Auto-Innenleben-Nähereien, Volvo-Schleppungen zwecks Seilwinden-Überprüfung, wiederholten Stauversuchen im Dachträger, welcher ob des Volumens an Ich-muss-auch-noch-mit-Gütern aus allen Profilschienen zu platzen droht . . .

also bei uns daheim, in Bad Ischl – oder doch nicht?

. . . etwa in Deutschlandsberg, dem geheimen Zentrum für Offroadsüchtige in der Südweststeiermark, wo die Umbaupläne für unseren Mitsubishi nach und nach mit ermutigendem Engagement und schierer Begeisterung von Chris Poprask in die Realität umgesetzt werden?

. . . oder in Rotterdam, wo unser Pick-up Anfang Februar on board eines Containerschiffes mit dem Zielhafen Kapstadt in See sticht?

. . . oder ebendort, wo wir nach einem Flug von Wien über London am 23. März 2023 landen, und noch sechs Tage warten müssen, bis der Container, in dem unser Auto die Fahrt über den Atlantik heil überstanden hat, endlich entladen wird.

Der geneigte Leser meiner Geschichten möge also verstehen, so einfach ist das nicht mit dem Beginn unserer Reise.
Sicher aber ist, ganz am Anfang ist es einfach eine Idee.

Eine verrückte Idee . . . und es wird eine lange Reise werden.

Dank eines Programmes, das (für die Monate April, Mai, und Juni) alle vier Stunden unsere Position mittels GPS Daten speichert und auf einer Karte sichtbar macht, können uns alle Daheimgebliebenen auf unserer Reise durch den Süden des afrikanischen Kontinents begleiten. Unser Weg bis zur Mossel Bay (30. März/01. April) ist daher noch nicht eingezeichnet.

Insgesamt sind es etwas mehr als 13 000 Kilometer die wir in 96 Tagen von Kapstadt bis Kapstadt zurücklegen.

Mittwoch, 29. März: Mein Mauserich, der eigentlich Wolfgang heißt, seit 45 Jahren mein Mann und Lebensmensch ist, und ich, die Karin genannt Noni, übernehmen auf der Farm von Duncan Johnson endlich unser Auto, einen Mitsubishi L 200 – umgebaut und eingerichtet nach unseren Wünschen, Vorstellungen, und Erwartungen für eine Reise im Süden des afrikanischen Kontinents.

Alles, was noch im Fluggepäck mitgenommen wurde, wird jetzt im Auto verstaut. Ich fasse es nicht, obwohl es schon gerammelt voll ist, gelingt es mir die Sachen unterzubringen. Die Zeit verfliegt, es ist Nachmittag, wir müssen auch noch frische Lebensmittel bunkern, wo ist der nächste Supermarkt?
Nicht weit außerhalb von Stellenbosch, wo Duncan seine Hilfsdienste für reisewillige Overlander anbietet, gibt es ein kleines Einkaufszentrum. Alles Nötige finden wir, auch eine gemütliche Pizzeria, die zum Abendessen einlädt.

Willkommen in Afrika – Wir lernen unsere erste nachhaltige Lektion.

Nämlich – dass in diesem Land gar nichts schnell geht. In Afrika gehen die Uhren einfach langsamer . . .

Die Vorspeise, ein bunter, knackig frischer Salat kommt nach einer Dreiviertelstunde. Der Kellner, der die Teller abräumt, erklärt uns mit einem strahlenden Lächeln, die Pizze würden jetzt auch bald gemacht. Er erklärt uns umschweifend und voller Stolz, in seinem Lokal würde alles ganz frisch zubereitet.

Oh weh, das geht sich nicht mehr aus. Duncan hat uns nachdrücklich davor gewarnt bei Dunkelheit zu fahren. Zu viele Menschen und Tiere würden auf den Straßen sein, das Unfallrisiko sei einfach zu hoch. „You don´t want to get into serious troubles, do you?“

Als die Pizze endlich fertig sind lassen wir sie einpacken und schauen, dass wir weiterkommen. Auf Duncans Farm stellen wir unseren Tisch auf, lassen es uns schmecken – erstes outdoorfeeling kommt auf, alles gut.
Dann rasch ins Bett auf unserem Autodach – unser Schlafzimmer für die nächsten drei Monate. Gemütlich ist es hier drinnen, wir sind sehr glücklich, dass wir da sind, zu zweit da sind . . . in Afrika.

Donnerstag, 30. März: Wir fahren los. Richtung Südosten, unser Ziel für die heutige Übernachtung ist der De Hoop Nationalpark. Die Strecke erscheint uns einfach zu bewältigen, nach Mittag sollten wir da sein.
Das Autobahnnetz rund um Kapstadt ist bestens ausgebaut, so sind wir lange auf Überlandstraßen mit Gegenverkehr unterwegs. Dann aber folgen Staubstraßen, rumpelige Waschbrettpisten, endlos lang. Die Zufahrt zum Park ist umständlich, wir müssen einen weiten Umweg nehmen. Erst am späten Nachmittag kommen wir an.

Rasch den Platz einrichten, das Zelt aufstellen.

Wir sind noch sehr langsam, die Handgriffe sitzen noch nicht, aber wir sind uns sicher, in ein paar Tagen wird alles schneller gehen.

Ich bin ziemlich geschlaucht – von der unerwartet langen Fahrt, von der Hitze, wir haben kaum etwas gegessen, wenig getrunken.

Ein paar Bissen genügen uns, viel Appetit haben wir nicht. Ein Bierchen, dann fallen wir müde ins Bett.

Obwohl wir das gerne vermieden hätten . . . Wir lernen eine zweite Lektion

Mitten in der Nacht kommt auf was los ist. Wolfgang klagt über Übelkeit und Bauchweh, erreicht gerade noch rechtzeitig die etwas weiter weg liegenden Waschräume. Es dauert sehr lange, bis er sich endlich wieder in seinen Schlafsack verkriechen kann.

Wir müssen uns eingestehen, da haben wir jetzt etwas dazugelernt: Lasset die Finger von knackig frischen Salattellern.

Wir beschließen auf den Campingplatz in der Mossel Bay zu übersiedeln. Die 260 Kilometer großteils Rumpelpiste dorthin dauern gefühlt eine Ewigkeit, aber der Campingplatz ist gepflegt, und die Waschräume sind gleich neben unserem Stellplatz. Das ist auch gut so, denn in dieser Nacht erwischt es auch mich.

Wir brauchen drei Tage bei Zwieback, Karottenreis und Kräutertee um wieder auf die Beine zu kommen. Ganz ehrlich – die Moral liegt ein wenig darnieder, aber der schöne Ausblick auf den Indischen Ozean hilft ein bisschen darüber hinweg.

Sobald wir wieder halbwegs auf den Beinen sind brechen wir auf nach Norden. Die N12 ist eine gut ausgebaute, asphaltierte Straße, so kommen wir rasch voran. Nach einer Nacht in Beaufort West erreichen wir am 05. April endlich Kimberly.

Auf ihrem Privatgrund hat die freundliche Lucy ein paar Stellplätze eingerichtet, sie bietet uns den schönsten an, direkt am Ufer des kleinen, ruhig dahin fließenden Flusses.

Jetzt ist alles wieder gut, die Welt in Afrika ist wieder in Ordnung

Mein Mauserich greift vergnügt zum Kochlöffel und weiht seinen Dutch Oven ein. Ein paar Grillbriketts unter den gußeisernen Topf geschoben, und auch oben drauf, etwas Glut auf den Deckel legen – schon schmort das Ragout friedlich vor sich hin.

Noch etwas zögerlich revidiere ich meine Vorbehalte und mache einen Kniefall – ob meiner anfänglich geäußerten Zweifel, betreffend die Sinnhaftigkeit dieser schweren, Platz benötigenden, mein Kleiderfach zusätzlich schmälernden Kochtopfinvestition.

Es schmeckt nämlich köstlich.

Wir bleiben noch einen Tag, ich wasche das erste Mal die Wäsche (ach wie gut bewähren sich jetzt meine beiden Kübel), wir genießen das freundliche Wetter, und freuen uns, dass das Salat bedingte Malheur nun endgültig vorbei ist.

Freitag, 07. April: weiter auf der N 12 bis Warrenton – N 18 via Vryburg – Mafikeng – R 49 – abends in Zeerust auf einem Stellplatz neben einer Lodge. Am Morgen ein erstes Motorproblem: er springt nicht an. Nachdenken – Motorhaube auf – Batterie Check – Kabel – alles wie es sein soll, warum springt der Motor nicht an?

Chris, unser Mitsubishi Coach im steirischen Deutschlandsberg weiß Rat: „Wolfgang, hängst amoil de Batterie o, lasst eam risettn, woats a wengal, dann hängst eam wida an, dann kemmt a da wida, wiast segn – ka problem!“

Gesagt, getan, der Motor startet als wäre nichts gewesen.
Es wird nicht das einzige Mal des Startverweigerns sein, aber das wissen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Samstag, 08. April: Auf der N4 bis zum Grenzposten Republik Südafrika/Botswana (hab alle meine Salzbrezel an die Grenzbeamten verfüttert, dafür hat die ganze Prozedur nur eine Stunde gedauert), am Abend dann im Gaborone Mokolodi Game Reserve. Wildtiere sehen wir keine, dafür steht gut versteckt im dichten Gebüsch ein Plumpsklo voller Käfer und Spinnen, und einen sehr nahen Nachbarn haben wir auch, der die ganze Nacht laute Heavy Metal Musik spielt. Wir verzeihen ihm, wohl wissend, dass die Südafrikaner ihr Wochenende gerne lautstark feiern.

Sonntag, 09. April: Über Mahalapye – Palapye – am Abend im Serowe Khama Rhino Sanctuary: die von Wilderern gnadenlos gejagten, fast ausgerotteten Geschöpfe werden hier gehütet und bewacht. Unsere erste Begegnung mit einem freilaufenden Nashorn ist ziemlich aufregend. Aber es grast nur friedlich vor sich hin, scheinbar ist es an vorbeikommende Autos gewöhnt.

Montag, 10. April: Via Letlhakane und Orapa nach Rakops. Bei einer Tankstelle bekommen wir Diesel, aber die Hoffnung, auch den Wassertank mit gutem Wasser füllen zu können, geht ins Leere. Wir müssen eben mit dem leicht verfärbten, schlecht schmeckenden Wasser Vorlieb nehmen. Aller guten Dinge sind drei, heißt es, und das trifft wohl auch auf Lektionen zu. PET Flaschen hin oder her, wahrscheinlich ist es doch sinnvoll, in Afrika ein paar der verteufelten Wasserflaschen in Reserve mitzuführen.

Am späten Nachmittag erreichen wir das Matswere Gate, das Einfahrtstor zum Central Kalahari Game Reserve. Bei fernem Wetterleuchten und etwas Regen verkriechen wir uns bald in unsere Schlafsäcke.